Liebe Leserinnen, liebe Leser,

„Ich sehe die Menschen wie Bäume“, sagt ein Blinder in dem Dörfchen Betsaida. Jesus hatte ihm zuvor heilend die Hände aufgelegt. Doch wer Menschen und Bäume nicht auseinanderhalten kann, der hat offensichtlich immer noch eine nicht zu verleugnende Sehschwäche. Jesus versucht es ein zweites Mal. Und dann klappt es. Der Blinde sieht nun alles glasklar.

Diese Geschichte aus dem Markusevangelium (Mk 8,22-26) kam natürlich auch beim Markustheater im März vor (Bericht und Fotos auf S.6). Da rief dann spontan einer der Jünger nach dem ersten Heilungsversuch: „Jesus, das kannst du aber besser!“

Beim Markustheater gab es immer wieder Momente zum Schmunzeln und Lachen, genauso wie Szenen, die berührten oder unter die Haut gingen. Manches irritierte sicher auch oder hinterließ Fragezeichen. Zum Beispiel an dieser Stelle: Wieso musste Jesus zwei Mal ran? Hat er etwa geschludert? Oder seine Kräfte nicht gut eingeteilt? Tatsächlich erzählt nur der Evangelist Markus diese Geschichte.
Spannend ist, dass Markus direkt vorher erzählt, dass Jesus mit seinen Jüngern im Boot unterwegs war. Bei diesem Segeltörn hatten die Jünger keine größere Sorge, als dass sie vergessen hatten, Brot mitzunehmen. Dabei hatten sie kurz zuvor erst erlebt, dass Jesus mehrere tausend Menschen mit wenigen Broten und Fischen satt gemacht hatte. „Begreift ihr es immer noch nicht?“, fragt Jesus sie im Boot.
Obwohl die Jünger gesehen hatten, was Jesus für gewaltige Möglichkeiten hat, war ihre Sicht in einer anderen Situation völlig eingeschränkt. Kurzsichtig schauten sie nur auf das Problem direkt vor ihnen, nicht auf Jesus.

Im Grunde das ganze Markusevangelium lang ist Jesus dabei, seinen Jüngern die Augen zu öffnen, Schritt für Schritt. Er will ihnen die Augen dafür öffnen, was es heißt, wirklich mit Gott und seinen Möglichkeiten zu rechnen. Er will, dass sie ihn, Jesus selbst, klar erkennen, als den, der er in Wahrheit ist. In all dem, was Jesus tut, bietet er seinen Jüngern „Sehhilfen“ an, damit sie die Perspektive des Glaubens einnehmen können. Direkt nach der Blindenheilung in zwei Schritten fragt Jesus seine Jünger: „Für wen haltet ihr mich?“ Und Petrus bekennt glasklar: „Du bist der Christus.“

Die Heilung des Blinden zeigt: Manches braucht eben Zeit, mehrere Anläufe, bis es klappt. Auch das feste Vertrauen in Jesus ist nicht einfach da. Es will entdeckt und eingeübt sein, immer wieder neu. Wir sollten nicht meinen, Jesus schon genug zu kennen. Es ist entscheidend, beständig auf ihn zu blicken und zu verstehen, dass er wirklich da ist als unser Retter und Helfer – zu jeder Zeit, an jedem Ort.

Hilfreich sind da „Sehhilfen“, die es uns leichter machen, einen klaren Blick auf Jesus zu gewinnen. Eine ganz geniale „Sehhilfe“ ist übrigens das Markusevangelium. Ich kann jedem nur empfehlen sich dieses Evangelium einmal als Lektüre vorzunehmen und sich mit den Jüngern auf Entdeckungsreise zu begeben!

Ihr Pfarrer Marc Schneider