Liebe Leserinnen, liebe Leser,

eine schmale, karge Schicht Sandstrand, ein Streifen tiefschwarzes Meer sonst nichts. Außer natürlich die unermessliche Weite des Himmels. Vier Fünftel des Bildes nimmt das Firmament ein. Ach, und ganz da unten ist auch noch ein kleines Menschlein oder besser ein „Mönchlein“, denn das Gemälde ist bekannt unter dem Namen „Der Mönch am Meer“. Es stammt von Caspar David Friedrich, an dessen 250 Geburtstag in diesem Jahr mit großen Ausstellungen in Hamburg, Berlin, Dresden und Greifswald gedacht wird. Das Gemälde war 1810 eine Sensation auf der Berliner Akademieausstellung. Gekauft hat es damals kein geringerer als der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. für seinen fünfzehnjährigen Sohn. Auch bei mir hängt es im Wohnzimmer leider nicht das Original.

Was für einen Stand hat der Mensch in der Welt? Mit dieser Frage hat sich der Maler ganz offensichtlich beschäftigt. Nicht nur zur damaligen Zeit, auch heute gibt es die Vorstellung, im Menschen das Maß aller Dinge zu sehen: Der Mensch als der, der alles im Griff hat, einen sicheren Stand hat und sich alles zu Nutze machen kann durch Wissenschaft und Fortschritt. Wie anders im Gemälde Friedrichs: Klein, wehrlos, verlassen ist der Mensch angesichts der bedrohlichen Schwärze des Meeres und der unfassbaren Weite des Kosmos. Dabei denkt Friedrich an mehr als an die unendliche Ausdehnung leeren Raums. Der Himmel steht für den frommen Protestanten für die Sphäre des Göttlichen. Und so malt Friedrich am liebsten den Himmel. „Den Tag, wo er Luft malt, darf man nicht mit ihm reden“, wusste schon seine Frau

Caroline an. Seinem Mönch dagegen schreibt Friedrich selbst ins Stammbuch:

„Und sännest du auch vom Morgen bis zum Abend, vom Abend bis zur sinkenden Mitternacht; dennoch würdest du nicht ersinnen, nicht ergründen, das unerforschliche Jenseits! Mit übermüthigem Dünkel, erwegst du der Nachwelt ein Licht zu werden, zu enträtseln der Zukunft Dunkelheit! Was heilige Ahndung nur ist, nur im Glauben gesehen und erkannt; endlich klahr zu wissen und zu Verstehn! – Tief zwar sind deine Fußstapfen am öden sandigen Strandte: doch ein leiser Wind weht darüber hin, und deine Spuhr wird nicht mehr gesehen: Thörichter Mensch voll eitlem Dünkel! –“

Wozu Friedrich seinen Mönch und damit sowohl sich selber als auch uns alle auffordert, ist eine Haltung der Demut. Seine Worte erinnern an die Bilder, die der Psalmbeter malt:

Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr…

Der Maler und der Psalmbeter wären sich aber auch darin einig, worauf der Mensch stattdessen seinen Blick richten sollte:

…Die Gnade aber des HERRN währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten. (Psalm 103,15ff)

Friedrichs Bilder sind, so hat es der Kunsthistoriker Helmut Börsch-Supan einmal festgestellt, eine „Lehre des Hoffens“.

Ihr Pfarrer Marc Schneider