Liebe Leserinnen, liebe Leser,
in Frankfurt am Main gruben Archäologen 2018 ein Silberamulett aus. Erst im letzten Jahr wurde die Inschrift darauf durch ein aufwendiges Verfahren entschlüsselt. Und nun sind sich alle sicher: Das ist ein Sensationsfund! Es ist wohl der älteste Beweis für das Christentum nördlich der Alpen. Wie kommen die Wissenschaftler zu diesem Schluss? Auf dem Amulett, das zwischen 230 und 270 n.Chr. datiert wird, wird Jesus Christus mehrfach erwähnt und zwar als der Sohn Gottes und Herr der Welt, vor dem sich alle Knie beugen werden. An dem Bekenntnis zu Jesus Christus als dem Sohn Gottes und Herrn sind Christen erkennbar, damals und heute.
In diesem Jahr feiert die weltweite Christenheit ein besonderes Jubiläum. Dabei ist das Vielen gar nicht bekannt. Vor genau 1700 Jahren, im Jahr 325, fand das erste ökumenische Konzil in Nizäa (heute İznik, Türkei) statt. Auf der Titelseite dieses Christusbotens sehen wir eine Ikone von 1591, die dieses Ereignis darstellt. Auf dieser Versammlung von Bischöfen, die auf Einladung Kaiser Konstantins in seinem Sommersitz stattfand, ging es um nichts Geringeres als die Frage, wer Jesus in Wahrheit ist. Ist er wirklich Gott – oder doch nur ein Geschöpf Gottes, wie der Theologe Arius und seine Anhänger behaupteten?
Das Konzil traf eine Entscheidung, die bis heute Relevanz für zahlreiche Konfessionen hat, auch für unsere. Ein Ergebnis des Konzils ist ein Glaubensbekenntnis, das wir in erweiterter Form vor allem an hohen Festtagen im Gottesdienst sprechen. Dort heißt es von Jesus, dem Sohn Gottes, dass er Mensch wurde, aber genauso, dass er schon immer und für alle Zeit „Gott von Gott, Licht von Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“ ist, dass er deswegen auch nicht geschaffen ist, sondern „eines Wesens mit dem Vater“. Jesus – ganz Mensch und ganz Gott. Die Botschaft, die wir erst zuletzt zu Weihnachten wieder gehört und verkündigt haben, dass Gott Mensch wurde, dass wir es in Jesus mit Gott selbst zu tun bekommen, die haben wir in dieser Klarheit auch den Konzilsvätern von 325 zu verdanken.
Doch nun ist es leider heute so, dass es vielen Menschen völlig egal ist, wer Jesus ist und ob er überhaupt etwas ist. Der Aussage „Ich glaube, dass es einen Gott gibt, der sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat“ konnten in der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung 2023 selbst nur noch 29% der evangelischen Kirchenmitglieder in Deutschland zustimmen. Ich finde das echt erschreckend.
Gerade deswegen sollten wir dieses Jubiläumsjahr nutzen, um uns neu auf das Zentrum unseres Glaubens auszurichten. Der Gefahr eines „Christentums ohne Christus“ halten wir entgegen, dass wir von Gott nicht ohne die Person von Jesus reden können und dass, wenn Jesus nur ein Mensch war, er uns nicht hätte mehr geben können als ein paar gute Ratschläge. Gut, dass es anders ist.
Ihr Pfarrer Marc Schneider
