Der Grundriss der Stadt Bischofswerda von 1793
Ausschnitt aus dem Grundriss der Stadt Bischofswerda von 1793: die Stadtkirche …
Die Lage der kirchlichen Gebäude
Der Grundriss der Stadt Bischofswerda entstand 20 Jahre vor dem großen Stadtbrand von 1813. In ihm ist auch die Lage der kirchlichen Gebäude exakt eingezeichnet.
N die Stadtkirche: Der Vorgängerbau der Christuskirche ist mit seinen Stützpfeilern genau zu erkennen. Der von Stadtbaurat a. D. Eduard Candrian rekonstruierte Grundriss des gotischen Kirchengebäudes wird damit bestätigt. Die einzige Ausnahme ist die These vom »geraden Chorabschluss« nach 1680/81. Die Frage ist hier: Welche Bedeutung hat die kleine Rundung an der Ostseite der Kirche, die auf dem Grundriss zu sehen ist? – Um die Kirche herum befand sich der Stadtfriedhof. Der heutige Kirchplatz war zur Kirchstraße hin nicht offen und Teil des Friedhofs.
U die Superindentur: Der Vorgängerbau des jetzigen Pfarrhauses scheint vor dem Stadtbrand etwas größer als das heutige Gebäude gewesen zu sein, welches 1844 wieder errichtet wurde. Von 1559 bis 1879 befand sich in Bischofswerda der Sitz des Superintendenten für das ehemals bischöflich-meißnische Gebiet. Durch einen Tausch war das Gebiet um Stolpen und Bischofswerda 1559 in den Besitz des sächsischen Kurfürstentums gefallen. Der letzte Meißner Bischof der alten Zeit, Johann IX. (Johann von Haugwitz), erhielt im Gegenzug die Stadt und das Kloster Mühlberg. Im Zusammenhang mit diesem Gebietstausch ließ der sächsische Kurfürst am 29.12.1558 die Reformation in Bischofswerda einführen.
p Die heutige Pfarrgasse hieß damals »hinter der Kirche«.
V die Stadtschule: Sie stand an der Stelle, an der auch nach dem Stadtbrand wieder eine Schule errichtet wurde und an der sich heute das Kirchgemeindehaus befindet. Es schließen sich an …
W drei geistliche Wohnungen: Vermutlich bewohnte die eine der Kantor, der ja zugleich Lehrer bzw. Schulmeister war, und die andere der Pfarrer, der damals Archidiakon genannt wurde. Eine dritte geistliche Wohnung befand sich auf der Nordseite der jetzigen Pfarrgasse, möglicherweise wohnte dort der Diakon.
O die Hospitalkirche (siehe Bildausschnitt unten): Die Chronisten berichten, dass seit 1438 vor dem ›Bautzener Tor‹ eine Kapelle ›Unserer lieben Frauen‹ gestanden hat, welche im 30jährigen Krieg niederbrannte. Man baute sie zwischen 1647 und 1650 wieder auf, kaufte eine Wiese dazu und erweiterte den Friedhof, der sich um die Kirche herum befand. Dieser Friedhof heißt heute ›Alter Friedhof‹, um ihn vom ›Neuen Friedhof‹ auf dem Schmöllner Weg zu unterscheiden. Solange der Friedhof um die Stadtkirche herum bestand, war jedoch dieser der alte Friedhof.
Die Beschreibung von Dr. Hans Volkmann
1928 entdeckte Dr. phil. Hans Volkmann den Grundriss des alten Bischofswerda von 1793 im Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden und fertigte daraufhin eine Beschreibung des ehemaligen Stadtbildes an, die ein Jahr später in den Bautzener Geschichtsheften erschien. Wie dieser Beschreibung zu entnehmen ist, hat der Originalriss eine Größe von 45,2 x 32 Zentimeter und stammt von einem Leutnant Richter, höchstwahrscheinlich von Johann Gottfried Richter, der als Festungsingenieur auf der Festung Königstein im Dienst war. Unklar bleibt, warum Hans Volkmann den Riss in das Jahr 1783 datiert. Auf der heute bekannten digitalisierten Kopie des Risses lässt sich eindeutig die Jahreszahl 1793 erkennen.
Bei der Beschreibung des Südostteils der Stadt kommt Hans Volkmann zuerst auf die eigenartige Asymmetrie im Grundriss der Kirche zu sprechen. Wie es zu dieser Eigenart gekommen ist, lasse sich zwar nicht mehr rekonstruieren, er hält es jedoch für möglich, dass es entweder eine Vergrößerung des Kirchschiffes oder eine Verkleinerung des Chorraumes gab. Für die letztgenannte Möglichkeit spreche eine Bemerkung in der Mittagschen Chronik von 1861 (Seite 392), dass man nach dem Brande von 1671 »das alte Gewölbe und die gewölbte Sakristei abgetragen« und »die Kanzel von ihrem ›alten Orte gerückt‹« habe. Leider sind die chronistischen Angaben etwas vage, so dass die These von der Verkleinerung des Chorraumes eine Spekulation bleiben muss.
Als nächstes erwähnt Hans Volkmann den »schräg gestellten Strebepfeiler an der südlichen Außenwand, der gar nicht in die heutige glatte Wand passen will … Dieser Strebepfeiler stützte die Südostecke des vorspringenden Seitenschiffes. Thormeyer hat den noch widerstandsfähigen Pfeiler 1816 für den Neubau der Kirche benutzt, wie er ja auch die Mauern um den Turm und dessen Gemäuer selbst, das schon bei den Neubauten von 1596 und 1678 vom früheren Bau übernommen worden war, wieder verwendete« (Seite 8).
Weiter heißt es: »An der Westseite des Kirchplatzes finden wir zunächst die Schule, die uns als die ›alte‹ bekannt ist. Dann in südlicher Richtung sich anschließend, zwei ›geistliche Wohnungen‹ … Eine dritte befand sich unten in der jetzigen Pfarrgasse, die damals ›hinter der Kirche‹ hieß, an der Nordseite. An der Südseite lag das vierte und größte geistliche Haus, die Superintendentur, an derselben Stelle, die heute die Wohnungen der Geistlichen einnehmen, mit weiten, bis zur Stadtmauer reichenden Gartenanlagen. … Am Anfang und Ende der Pfarrgasse stand je ein Wassertrog; zwei ›Pfarrtreppen‹ führten zum alten Friedhof empor« (Seite 9).
Dr. phil. Oskar Johannes Volkmann, Musikschriftsteller,
geb. 29.4.1875 in Bischofswerda, gest. 26.12.1946 in Dresden
Verzeichnis der erwähnten Dokumente
- Grundriss von der im Amte Stolpen liegenden schriftsässigen Stadt Bischofsswerda, nach Schritten aufgenommen im Jahr 1793 vom Ing. Sous.-Lieut. Richter, Quelle: Wikimedia Commons.
- Das Stadtbild Bischofswerdas im Jahre 1783 nach einem neuerdings aufgetauchten Stadtplan, geschildert von Dr. Hans Volkmann. In: Bautzener Geschichtshefte, Abhandlungen und Berichte der Gesellschaft für Vorgeschichte und Geschichte der Oberlausitz zu Bautzen, herausgegeben von Dr. phil. W. Frenzel, Band VII, 1929, Erg.-Bd. Heft 1, 16 Seiten, eine Abbildung.
- Chronik der königlich sächsischen Stadt Bischofswerda von Karl Wilhelm Mittag, Bischofswerda, Druck und Verlag von Friedrich May, 1861, 637 Seiten.
(zusammengestellt von Pfr. Dr. Tobias Mickel, Pfarrer in Bischofswerda von 1995 bis 2018)