Monatsspruch Oktober

Das Reich Gottes ist mitten unter euch.

Lukas 17,21

Ein bekannter Satz. Jesus hat ihn gesagt. Doch: Wo ist es denn nun, das Reich Gottes? Wo ist „mitten unter uns“?

Früher wurde Jesu klare Ansage so ausgelegt, dass das Reich Gottes in das Innere des Menschen verlagert wurde. Es ist „inwendig in euch“, übersetzte Luther. In der lateinischen Vulgata-Bibel steht dafür das Wort „intra“, das uns heute z. B. im Intranet begegnet – für Außenstehende nicht einsehbar.

Das dagegen vom Evangelisten verwendete griechische Wort „entos“ ist wagemutiger. Es gibt einen Bereich in der Gegenwart an. Ihr seid, sagt Jesus, im Bereich des Reiches Gottes. Jetzt, wo ihr danach fragt, wo ihr euch danach sehnt, ist das Reich Gottes mitten unter euch, und ihr seid mittendrin, nicht erst irgendwann und irgendwo. Gewiss auch in der Zukunft als heile Welt Gottes, als neuer Himmel und neue Erde, aber eben auch in der Gegenwart.

Jesu Antwort ist dialektisch. Das Reich Gottes ist da, aber es ist nicht so da, wie alles andere da ist. Man kann es nicht nachweisen, statisch mit Kirchenmauern und Lehrgebäuden oder statistisch mit den aufgelisteten Kirchenmitgliedern, und doch ist es in diesem Bereich und auch darüber hinaus zu finden.

Vielleicht hilft uns, um zu verstehen, was Jesus meint, eine freiere Formulierung. Sie lautet: Das Reich Gottes findet statt.

Oder eine Geschichte, die ich sehr liebe: die Emmaus-Geschichte mit den beiden Jüngern, die Jesus am Ostermorgen auf dem Weg treffen und ihn nicht erkennen. Erst als er weg ist, als sie unter sich sind, stellen sie ein Nachglühen fest. Das Reich Gottes fand statt. „Brannte nicht unser Herz?“

Was wäre, wenn wir – nicht ganz so introvertiert wie die Früheren, aber auch noch nicht so wagemutig wie der Evangelist Lukas – in der Vergangenheitsform formulieren und sagen: Ja, es war da, das Reich Gottes. Es gab Orte und Zeiten, die ich benennen kann. War es in einem Gottesdienst? Beim Spielen mit den Kindern? War es, als mir jemand ein tröstendes Wort sagte? War es das Erlebnis einer Versöhnung nach langem Streit, die Genesung von Krankheit, eine lange Wanderung, eine wiedergefundene Liebe …?

Seit Jahrhunderten wiederholen wir die Vaterunser-Bitte „Dein Reich komme“, aber wir bitten nicht, weil Gott uns immer noch nicht erhört hat. Im Gegenteil: Es fand statt. Nicht dauernd, nicht überall. Aber ab und an schon. Darum bitten wir: Dein Reich komme. Es komme wieder, immer wieder. Und manchmal können wir zu seinem Wachsen beitragen.

Ihr Pfarrer Joachim Rasch